Nun endlich!!

Geschrieben von Andrea am 4. November 2011, 10:27


Hallo ihr Lieben!
Nun endlich finde ich die Zeit, euch von unserem Adoptionsweg zu berichten. Ich habe schon ein total schlechtes Gewissen, weil ich es schon vor Wochen angekündigt habe, aber ich hatte die letzten Wochen eine berufliche Doppelbelastung und habe einfach nichts mehr nebenbei auf die Reihe bekommen. Nun wird es wieder etwas ruhiger und ich berichte ein wenig für die, die interessiert sind.

Ok, ich weiss gar nicht, wie ich anfangen soll, weil mittlerweile schon so viel passiert ist und ich momentan in Sache: Adoption total neben mir stehe. Aber dazu erzähle ich später etwas.
Vielleicht versuche ich einfach von vorne anzufangen:

Wir haben uns Anfang diesen Jahres für eine Adoption entschieden und da für uns von Anfang an nur eine Auslandsadoption in Frage kam, haben wir uns erstmal nicht ans Jugendamt, sondern direkt an die zuständigen Vermittlungsstellen gewandt. Es ist so, dass man eine Auslandsadoption nur mit Hilfe einer Vermittlungsstelle durchführen kann. Es gibt in Deutschland 11 Vermittlungsstellen und jede Vermittlungsstelle ist für verschiedene Länder zuständig. Je nach Vermittlungsstelle beträgt die Wartezeit ungefähr 2-5 Jahre, und man bekommt einen Säugling bis zu einem 4-jährigen Kind. Nach dem Erstseminar im Februar 2011 haben wir uns zu einer Adoption in Äthiopien entschlossen. Eigentlich hätten wir lieber aus Kenia adoptiert, aber die Bedingungen sind dort sehr viel anspruchsvoller (man muss etwa 7 – 9 Monate im Land leben) und wir haben uns das nicht zugetraut.

Kleiner Zwischenhinweis: Wer sich von euch für Auslandsadoption interessiert und sich über die Bedingungen in den verschiedenen Ländern, Voraussetzungen und alles andere genauer informieren möchte, dem empfehle ich das Buch: Ratgeber Auslandsadoption von Herbert Riedle. Das hat mir am Anfang sehr geholfen, überhaupt mal einen Überblick zu bekommen. Dasselbe Buch gibt es auch für Inlandsadoption.

So, wir haben uns dann im März auf den Weg zum Jugendamt gemacht. Beim Jugendamt wird der Sozialbericht erstellt, der dich, wenn er denn positiv ausfällt, als geeigneter Adoptivelternbewerber ausweist. Dieser muss zuallererst erstellt werden.
Hierbei wird wirklich alles durchleuchtet und besprochen: eigene Kindheit, Erziehung und Familiengeschichte, deine Beziehung zum Partner, Beruf, Alltags- und Freizeitgestaltung, Kinderwunschweg, finanzielle Verhältnisse, Wohnverhältnisse, deine eigenen Erziehungsvorstellungen, Möglichkeiten und Grenzen…
Es finden mehrere Gespräche und ein Hausbesuch statt; bei uns allerdings blieb es erstmal bei einem Gespräch.
Im April nämlich haben wir sehr beunruhigende Nachrichten aus Äthiopien gehört: Es gab in einem Adoptionsfall in die USA diverse Ungereimtheiten (genau weiß leider keiner, was genau vorgefallen ist) und die äthiopischen Behörden beschlossen, die Adoptionen ins Ausland drastisch um 90 Prozent zu reduzieren. Ich war sehr beunruhigt, nicht nur, weil bei dieser Reduktion um 90 Prozent sich die Wartezeit wohl enorm verlängert, vor allen Dingen machte mir Sorgen, dass hier unklare Dinge passieren.
Wir haben uns dann entschieden, doch den aufwendigen Weg einer Adoption in Kenia zu gehen. Wie schon oben erwähnt, war dies eigentlich schon immer unser Wunsch, weil dieser Weg für das Kind sehr angenehm und wertvoll ist. In Kenia ist es Pflicht, drei Monate das Kind in Pflege zu nehmen, bevor überhaupt der Adoptionsantrag gestellt wird. Während dieser Zeit muss man natürlich im Land bleiben und wird öfters von der Adoptionsbehörde besucht. Danach beginnt das Adoptionsverfahren, das etwa 4 – 6 Monate dauert. Man wird also insgesamt etwa 7 – 9 Monate in Kenia sein. Aufgrund dieses aufwändigen Verfahrens finden in Kenia nur wenige Adoptionen statt; außerdem ist Kenia dem Haager Übereinkommen beigetreten und die Verfahren werden sehr sorgfältig überprüft.
Dieses Verfahren ist deswegen so wertvoll, weil das Kind sehr langsam aus seiner vertrauten Umgebung herausgenommen wird und sich an uns gewöhnen kann, während es die gleichen Gerüche, die gleiche Sprache, das gleiche Klima usw. um sich hat. Außerdem ist es bei einer Adoption sehr wichtig, dass man die ersten 4 Monate sehr eng und möglichst allein mit dem Kind verbringt, damit eine sichere Bindung zwischen Eltern und Kind entstehen kann. Ich möchte euch nun nicht volltexten, aber die Bindung ist das zentrale Thema einer Adoption, gerade bei Findelkindern, die verlassen wurden und kein Urvertrauen entwickeln konnten. Wir hoffen von ganzem Herzen, dass es uns gelingt, mit diesem Kind eine sichere Bindung aufzubauen und finden diese Art der Adoption auch deswegen sehr bereichernd für alle Beteiligten. Mein Mann wird die ersten drei Monate Elternzeit nehmen und so können wir diese Zeit gemeinsam in Kenia verbringen. Danach wird er regelmäßig zu den drei Gerichtsterminen anwesend sein.
Für uns war außerdem sehr wichtig, das Land, aus dem unser Kind kommt, kennen zu lernen und ich hoffe, wir haben in den 8 Monaten die Chance, viel zu erfahren und zu erleben, was uns diesem Land näher bringt. Für das Kind wird dieses Land immer sein Geburtsland bleiben, sein Heimatland und es wird immer einen großen Raum in unserem zukünftigen Leben einnehmen. Ich freue mich darauf, das Land meines Kindes zu erleben!!

Ok, unser Weg ging nach dem Länderwechsel also etwas anders weiter als geplant. Die Erstellung des Sozialberichts dauert bei unserem Jugendamt etwa ein Jahr. Bei einer Adoption in Kenia ist es so, dass die Adoption beginnen kann sobald alle Papiere gesammelt sind. Nun war uns ein Jahr zur Erstellung des Sozialberichtes natürlich zu lang und wir entschieden in Absprache mit dem Jugendamt, den Bericht bei der Vermittlungsorganisation erstellen zu lassen. Das ist ebenso möglich und wir hatten sehr schöne und bereichernde Gespräche mit der Vermittlungsstelle. Und nun, hurra!!!!!!, hatten wir am Montag das letzte Gespräch und der Sozialbericht wird nun erstellt. Laut ihrer Aussage wird darin nur Positives zu finden sein und wir sind nun anerkannte Adoptivbewerber. Juchu!!!!

Eigentlich ein Grund, sich nun einfach nur zu freuen; leider aber ist die Lage in Kenia ja momentan sehr unruhig und wir befinden uns im Wechselbad der Gefühle. Sicher habt ihr mitbekommen, dass in Kenia 4 Touristen von somalischen Milizen entführt wurden und Kenia nun in Somalia einmarschiert ist. Die somalischen Rebellen kündigten Racheakte an und es bleibt uns nun, einfach abzuwarten, wie sich die Situation dort entwickelt.
Außerdem hat Kenia eine neue Verfassung erstellt und da diese noch nicht endgültig ist, stehen im Moment alle Adoptionsverfahren (seit 4 Monaten). Das ist dann eben Afrika!!
Das betrifft uns momentan noch nicht und kann nächstes Jahr wieder anders sein aber man muss eben mit allem rechnen.

Wir haben für uns entschieden, nun einfach erstmal weiterzumachen und das bedeutet nun: Papiere sammeln, beglaubigen und übersetzen!!
Für die, die es interessiert, schreibe ich mal auf, welche Papiere man in Kenia braucht:
- diverse Fotos von uns, unserer Familie, Wohnung, Umfeld
- eine persönliche Erklärung, in der wir uns vorstellen und erklären, wieso wir eine Adoption in Kenia anstreben, wie unsere Verhältnisse sind, unsere Erfahrung mit Kindern, was wir dem Kind bieten bzw. versprechen…
- ein Formular vom Notar beglaubigt, dass wir alle Rechten und Pflichten wie leibliche Eltern übernehmen.
- Geburtsurkunden
- Fotokopie der Reisepässe
- Heiratsurkunde
- 2 Referenzschreiben von Familienangehörigen und Freunden, die erklären, wieso du geeignet bist als Adoptivbewerber.
- 1 Referenzschreiben eines Pfarrers (Kenianer sind sehr religiös!!)
- 1 Referenzschreiben einer etablierten Persönlichkeit (Anwalt, Arzt ….)
- Gesundheitszeugnis
- Arbeitsverträge
- Einkommensnachweis
- Erklärung, wer die Patenschaft des Kindes übernimmt und im Falle des Todes von uns beiden für das Kind sorgt.
- Führungszeugnisse
- Bescheinigung eines Elterntrainings
- Auszug aus dem Grundbuch

Das wird also unser Job in den nächsten Wochen sein, diese ganzen Papiere zusammen zu bekommen und wir hoffen von ganzem Herzen, dass sich mittlerweile die Lage in Kenia wieder etwas beruhigt. Deshalb stehen wir also gerade etwas neben uns.


Nun habe ich unendlich viel und lang geschrieben; ich hoffe irgendjemand hat es überhaupt bis hier unten geschafft, aber es war der Weg fast eines ganzen Jahres und ich hätte noch viel, viel mehr schreiben können über die beiden Seminare, die wir besucht haben, bei denen wir uns mit Themen wie Bindung, Biografiearbeit, Rassismus….. beschäftigt haben oder über die wirklich bereichernden Gespräche zur Sozialberichterstellung und ich hätte euch auch gerne noch so viel von Afrika und der Situation der Kinder dort erzählt. Vielleicht mach ich das noch ein anderes Mal, fragt einfach, wenn es euch interessiert.


Über eine Sache möchte ich aber gerne noch kurz schreiben: über die Veränderung, die bei uns in unserem Kinderwunschweg entstanden ist. Ich weiß nicht genau, wie ich dazu sagen soll; ich hoffe ihr versteht, was ich meine:
Alles, was ich nun oben beschrieben habe, klingt wahnsinnig aufwendig, kompliziert, natürlich kostspielig und zeitintensiv. Man frägt sich: Eltern suchen Kind! Kind sucht Eltern! Wieso kann das nicht einfach leichter gehen? Auch für uns stellte sich diese Frage am Anfang und wir waren schon ab und zu frustriert und traurig. Im Laufe des Prozesses hat sich das geändert und wir empfanden diesen Weg bis hier als unheimlich bereichernd und wertvoll.
Überhaupt hat sich unsere psychische Situation total verbessert. Ihr werdet es nicht glauben, aber ich weiß nicht mehr, wann mein Eisprung stattfindet; ich merke es erst, wenn meine Periode einsetzt und die kommt seit März regelmäßig alle 5 Wochen. Claudia, kannst du das glauben, dass meine Blutung regelmäßig und noch dazu in so kurzen Abständen kommt!!!!

Ich möchte euch ein paar Beispiele nennen, die für uns diesen Weg wertvoll machen:

- Es gibt so viele Kinder, die ohne Eltern aufwachsen müssen, gerade in Afrika haben diese Kinder später keine Chance ein menschenwürdiges Leben zu führen. Wir können wenigstens einem davon eine bessere Zukunft ermöglichen.

- Wir lernen eine neue Kultur, neue Menschen kennen; wir können 8 Monate am afrikanischen Leben teilhaben.

- Die Gespräche zum Sozialbericht waren so bereichernd für unsere Beziehung. Mein Mann und ich haben uns über so viele Dinge ausgetauscht, über die wir vielleicht nie gesprochen hätten. Unsere Beziehung hat sich in den letzten Monaten noch mal so gestärkt; ich bin so dankbar, diesen tollen Mann zu haben, mit dem ich diesen außergewöhnlichen Weg gehen darf.

- Trotz, dass wir wissen, dass die Zeit in Kenia auch sehr schwierig werden wird, freuen wir uns so sehr darauf, drei Monate gemeinsam nur als kleine Familie verbringen zu dürfen. Wäre ich vor vielen Jahren schon schwanger geworden, hätten wir dieses Glück sicher nicht geschätzt und vermutlich wäre ich hauptsächlich alleine für die Erziehung zuständig gewesen. Nun ist dieses Thema für uns beide so wichtig, dass sogar mein Mann drei Monate Elternzeit nimmt und Familienzeit für uns oberste Priorität hat.

- Und wir haben in dieser Zeit so viele tolle Menschen kennengelernt und zu unserem großen Glück wohnt ein Paar, mit dem wir uns super verstehen, im Nachbardorf.

- Früher fanden Adoptionen in der Form statt, dass Eltern sich einfach im Kinderheim ein Kind ausgesucht haben. Nun ist es viel aufwändiger und das ist gut so. Es gibt einfach Dinge, die bei Adoptivkindern anders sind und die mit dem Kind aufgearbeitet werden müssen. Ich fühle mich gut vorbereitet auf diese Aufgabe, was früher in den meisten Fällen nicht so war und im schlimmsten Fall das Kind sogar irgendwann zufällig erfahren hat, dass es adoptiert ist. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie es ist, wenn du deine Wurzeln nicht kennst?

Es ist ein total anderer Weg, das muss ich dazu sagen: Dieses Kind wird nicht unser leibliches Kind sein. Es wird vermutlich ein Findelkind sein und wir wissen nichts über dessen Herkunft. Das Kind wird mindestens 12 Monate alt sein (Voraussetzung in Kenia), vermutlich mangelernährt und ich kann keinen eigenen Namen für das Kind aussuchen. Alle diese Dinge, die mir vor einem Jahr noch als riesengrosse Hürden erschienen, haben sich im Laufe des Verfahrens in Luft aufgelöst. Ich weiß schon jetzt, dass ich dieses Kind von ganzem Herzen lieben werde und wir haben beide das Gefühl, dass dieser Weg genau der richtige Weg für uns ist. Ich hätte nie geglaubt, dass ich das einmal sagen werde, aber ich möchte momentan nicht schwanger werden.
Ja, das mag für euch nun seltsam klingen, fast so wie: Oh, die beiden haben aber eine ordentliche Gehirnwäsche bekommen! und wenn mir das einer vor zwei Jahren erzählt hätte, hätte ich das auch gesagt. Nein, du wirst knallhart mit der Realität konfrontiert, dass dieses Kind eben kein Traumkind sein kann und du musst diesen Weg wirklich von ganzem Herzen wollen.
Dieser Wunsch ist bei uns so stark gewachsen und ich bin unendlich dankbar dafür, dass wir diesen Weg gefunden haben und ihn gemeinsam gehen dürfen.

Momentan bleibt uns nur die Hoffnung, dass wir nun nächstes Jahr auch endlich unser Kind kennenlernen dürfen, aber es ist eine realistische Hoffnung und ich vertraue Gott, dass diese Hoffnung erfüllt wird!!

So, nun mache ich wirklich Schluss!
Ja, es ist ein langer Bericht geworden, aber ihr wolltet es ja wissen, selber schuld!!

Ich grüsse euch ganz lieb!!
Andrea

Dieses Posting ist im Archiv, daher ist kein Antworten darauf mehr möglich.


Antworten:

[ Kinderwunschforum ]     [ Neue Beiträge ]     [ Informationen ]    [ Suchen ]    [ Schwangerschaftsforum ]    [ Stillzeitforum ]    [ Wechseljahrforum ]    [ Traumgewichtforum ]    [ Quiz ]    [ Online-Zyklen ]