Re: Erfahrung mit NER

Geschrieben von Claudia am 9. April 2010, 23:20
Als Antwort auf: Erfahrung mit NER geschrieben von Alfons

Lieber Alfons!

Ein ganz liebes Willkommen hier bei uns!

Ich selbst kenne das sehr gut. Mein Mann und ich haben einander als Studenten kennen gelernt, und ich wollte unbedingt meine Ausbildung abschließen.
Bei deiner Beschreibung der Gefühle deiner Frau habe ich bei jeder Zeile genickt.

Mittlerweile sehe ich das lockerer. Da hat sicherlich einiges dazu beigetragen. Erstens bin ich hier Forenbetreuerin im Kinderwunschforum. Ich sehe Tag für Tag, wie schwer es ist, schwanger zu werden. Man wird nicht im ersten Zyklus schwanger, auch nicht im zweiten Zyklus. Schwangerwerden ist eine enorm schwierige Sache. [Das könnt ihr für euch natürlich nicht adaptieren, weil ihr ja recht leicht schwanger geworden seid. Für mich ist das ein wesentlicher Punkt. Denk an die monatlichen Gefühle deiner Frau und lass mir bitte den Glauben. ;-) ]
Ganz viel beigetragen hat für mich glaube ich auch der A-Kurs. Habt ihr das INER-Zertifikat? Oft ist sogar Kinderbetreuung dabei, man lernt Gleichgesinnte kennen, und man redet ganze Tage hindurch wirklich nur über das eine Thema (natürlich in vielen Variationen). Und man sieht dort eine unheimliche Anzahl an Zyklen, in denen ab dem dritten Kringel X platziert sind. Und es gibt in all den hunderttausenden von Zyklen, die bei den Rötzers liegen, keinen einzigen, in dem eine Frau nach dem Abend des dritten Kringels schwanger geworden wäre. Diese vielen Zyklen, die Beschäftigung mit dem Thema, die kompetenten Vortragenden (denen man Löcher in den Bauch fragt), ... all das hat meine Neugier angestachelt, Interesse geweckt, und es hat mir Sicherheit gegeben.
Das Zertifikat wird nur befristet ausgestellt. Man ist also "gezwungen", alle zwei Jahre sich wieder mit dem Thema auseinanderzusetzen und eine Fortbildung zu besuchen (falls man das Zertifikat verlängern möchte). Dieser Zwang ist sehr angenehm, denn dann gönnt man sich endlich etwas, das schön ist. :-) Diese Fortbildungstage sind nämlich wunderbar entspannend, ohne Telefon, ohne email, ohne Stress, und das alles mit netten Leuten! Und man sieht wieder Zyklen, Unmengen von Zyklen, und in keinem einzigen ist jemand nach dem dritten Kringel schwanger geworden. Irgendwann hat das selbst mein misstrauisches Hirn nicht nur verstanden (im Kopf), sondern auch kapiert (innerlich).
Tja, und zu guter Letzt: Mittlerweile bin ich alt geworden. :-) Realistisch darf man das nicht betrachten, denn eine Studienkollegin (selbes Alter) ist voriges Jahr ungeplant trotz Spirale schwanger geworden. (Es ist ein gesundes Mädchen geworden.) Man verliert seine Fruchtbarkeit nicht mit einem bestimmten Geburtstag. Aber solange ich mir das selbst einrede, gehts mir gut. :-))))

So weit der persönliche Erfahrungsbericht.

Ab nun nüchterne Antworten. :-)

> Wir praktizieren NER seit einigen (mehreren) Jahren und wir waren immer
> zufrieden mit der sympto-thermalen Methode. Die Zykluslänge war immer
> relativ konstant (28 bis 32 Tage in etwa). Wenn wir keine Kinder bekommen
> wollten, haben wir keine bekommen. NER war sehr verlässlich. Als wir Kinder
> wollten, hat es immer fast sofort eingeschlagen.

Du schreibst es ja selbst: "NER war sehr verlässlich." Das hat sich nicht geändert. Deine Frau ist nach wie vor ein Mensch. Und beim Menschen gibt es genau eine Ovulation im Zyklus (ausgenommen Zwillinge, aber da laufen die Ovulationen einigermaßen zeitgleich ab). Wenn die Ovulation einmal vorbei ist, dann kommt es zu keiner zweiten Ovulation. Dafür sorgt der Körper selbst: Im ersten Zyklusteil reifen mehrere Follikel heran. Einer wird ganz groß, und er platzt, und die Eizelle wird freigesetzt (Ovulation). Der Rest des Follikels, also die Hülle, wird zum Gelbkörper. Dieser Gelbkörper produziert Progesteron, und dieses Progesteron verhindert weitere Follikel-Reifungen.
Da also bei jeder Ovulation eine Hülle übrigbleibt, die zum Gelbkörper wird und Progesteron produziert (anders geht es nicht), gibt es keine zweite Ovulation!!!! Sobald die Ovulation also vorbei ist (und die Eizelle unbefruchtet verkümmert ist), kann keine Schwangerschaft mehr eintreten.
Das ist eine medizinische Tatsache. Da kommt niemand drum herum.

Jetzt könnte man natürlich noch überlegen: "Und wenn die Ovulation doch noch nicht stattgefunden hat???" [Du siehst, ich kenne das volle Repertoire an Fragen!!! :-) ]
Okay, dann schau dir mal den Temperaturverlauf an. Die Temperatur steigt. Die Temperatur befindet sich in Hochlage. Wovon ist die Temperatur denn gestiegen? Warum bist du denn in Hochlage? Was ist der Grund dafür?
Nun gut, du kannst Fieber haben. Aber das ist meistens mehr als mickrige drei Kasterln. Wenn du also kein "Halsweh" oder "fühle mich krank" eingetragen hast, dann warst du auch nicht krank, und dann ist die Temperaturerhöhung auf das Progesteron zurückzuführen. Progesteron wirkt nämlich auf das Temperaturzentrum im Gehirn, und dieses Temperaturzentrum schaltet einen Gang höher. Manchmal verschnarcht das Temperaturzentrum die Sache ein bisschen, das ist dann ein verzögerter Anstieg. Das ist nicht dramatisch. Das darf durchaus sein.
Die höhere Temperatur ist also aufs Progesteron zurückzuführen.
Überlegen wir nochmal: Woher kommt das Progesteron? Von der Follikelhülle. Woher kommt die Follikelhülle? Die bleibt bei der Ovulation übrig. Anders gesagt: Wenn die Temperatur in Hochlage ist, ist die Ovulation ist vorbei.

[Kurzer Einschub: Da bereits der sprungreife Follikel Progesteron produziert, kann man nicht ab dem ersten Hochlagentag Unfruchtbarkeit annehmen, sondern eben erst nach dem dritten Kringel.]



> Leider misst sie die Temperatur noch nicht, da sie meist in der Früh stillt
> und aufsteht und ihr das zu stressig ist. Sie beobachtet den Schleim und
> teilweise den Muttermund.

Da wäre ich dann wirklich vorsichtig. Nur mit Schleim ist die Unsicherheit größer. Wir brauchen mindestens zwei Dinge: Entweder Schleim mit Temperatur oder Schleim mit Muttermund.
Dass die Temperaturmessung in manchen Lebenslagen nicht sinnvoll ist, ist klar. In diesem Fall muss deine Frau aber konsequent Muttermund beobachten. In der Hochlage braucht ihr drei Mal harten und geschlossenen Muttermund, und zwar nach dem Höhepunkt. Und ganz wichtig: Ohne Temperaturmessung muss deine Frau durchgehend bis zum Zyklusende weiter beobachten! Denn ihr wisst ja nicht, ob die Temperatur tatsächlich in Hochlage ist, oder ob das einfach nur eine Laune des Körpers war. Es kann ja durchaus zu mehreren Schleimphasen im Zyklus kommen. Da wird der MM weich, Zervixschleim, er wird wieder hart, aber du bleibst im ersten Zyklusteil, also in der Tieflage. Dann nimmt der Körper einen neuen Anlauf und probiert wieder, ob er eine Ovulation schafft, MM wird weich, Zervixschleim, endlich schafft er es, Ovulation, MM wird hart.
Es gibt manche Frauen, die den MM nach der Ovulation als "noch härter" beschreiben. Das ist der sogenannte Gelbkörpermuttermund. Wenn deine Frau den Gelbkörpermuttermund erkennt, also dieses "härter als zu Zyklusbeginn", dann bestehe ich nicht unbedingt auf jedem Tag MM-Beobachtung.
Aber wenn sie nur "hart und geschlossen" erkennt, dann muss sie unbedingt weiter beobachten. Und sofort mit X aufhören, sobald der MM aufgeht oder weich wird.
Es gibt zwei Möglichkeiten, wenn sie nicht jeden Tag MM beobachten will: Im Zyklusblatt drei Mal "hart und geschlossen" (nach dem Höhepunkt natürlich), und dann macht ihr eine Stichprobenmessung bei der Aufwachtemperatur. Vielleicht ist deine Frau ja an einem Tag in der Früh entspannt, hüpft nicht gleich aus dem Bett, muss nicht zwei quengelige Kinder davon abhalten die anderen vier aufzuwecken, sondern kann einmal in Ruhe noch ein paar Minuten liegen bleiben und messen. Wenn die Temperatur dann in Hochlage ist (ihr wisst ja, wo eure übliche Hochlage ist), dann könnt ihr mit der MM-Beobachtung aufhören. Denn dann seid ihr in der Hochlage. Dann müsstet ihr erst wieder nach der Regelblutung mit der MM-Beobachtung beginnen. [Ausnahme: Wechseljahre; aber so weit seid ihr ja noch nicht.]
Zweite Möglichkeit: Man muss nicht die Aufwachtemperatur in der Früh messen, wenn es da grad stressig ist. Deine Frau kann sich beispielsweise zu Mittag hinlegen (irgendwann muss ohnedies jeder mal verschnaufen) und dann nach einer Stunde träumen Temperatur messen. Wenn sie das jeden Tag macht, müsste sie eine hübsche Temperaturkurve zusammenbekommen.


> Meine Befürchtung geht dahin, dass sich die Situation in nächster
> Zeit (vl. selbst in den nächsten Jahren) nicht ändern wird, weil ich denke,
> dass wir wahrscheinlich in einem Jahr oder später auch kein weiteres Kind
> mehr möchten.

Wäre ein "Notfallszenario" denkbar? Ich frage mich immer wieder, warum es so viele Abtreibungen gibt. Und ich frage mich, warum so wenige Leute ihr Kind zur Adoption freigeben. Es gibt mehr Paare, die ein Kind adoptieren wollen als es zur Adoption freigegebenen Kinder gibt. Wäre das für euch eine Lösung, dass ihr sagt: "Okay, wir halten uns an die NER-Regeln. Und falls doch etwas passiert, dann wissen wir, dass jemand anderer schon sehnsüchtig auf unser Kind wartet, und es bekommt liebende Eltern, die wir damit glücklich machen."
Keine Panik. Nach dem dritten Kringel gibt es bisher keine einzige Schwangerschaft. Dieser Fall wird nicht eintreten. Aber rein als Sicherheit, dass ihr wisst, dass im Fall des Falles das Kleine zwei Menschen die Erfüllung ihres Lebens geben kann.

Ein zweites Notfallszenario: Ich denke, dass deine Frau immer in Karenz gegangen ist, oder? Beim nächsten Kind nimmst du die vollen zwei Jahre (oder wieviel man halt freigestellt wird - das ändert sich ja öfter als die Wettervorhersage). Vielleicht ist das für deine Frau die Sicherheit, die sie braucht. Dann weiß sie, dass nicht sie dann die Fußballmannschaft inklusive Ersatzspielern betreuen muss, sondern dass sie entspannt arbeiten gehen kann und am Abend wieder heimkommt, den duftenden Kindern ein Gute-Nacht-Küsschen geben kann und sie sich auch nicht drum kümmern muss, dass sie dann im Bett bleiben, denn das machst ja auch du. Genauso wie du in der Nacht aufstehst, sobald eins der Kinder unruhig ist.
Die Rolle deiner Frau ab dem nächsten Kind ist also eine sehr entspannte. :-)


Noch etwas, das ich zunächst vom HörenSagen mitbekommen habe und mittlerweile auch schon öfters gesehen habe: Bei Nichtkinderwunsch gehen die Paare vorne in den Zyklus viel zu weit mit den X hinein. Neunter Tag? Kein Problem. Ein X am elften Tag, achja, tragen wir ein.
Aber am fünften Kringeltag überlegen sie, wieviel Puffertage sie noch einhalten sollen.
Das ist vollkommen verkehrt. Das Risiko ist definitiv der Zyklusbeginn. Da solltet ihr euch eine Grenze überlegen: 6-Tage-Regel? Modifizierte Döringregel? Bis zum ersten f? Das sind unterschiedliche Grenzen mit unterschiedlichen Pearl-Indizes. Einigt euch da auf eine Grenze, und die wird nicht überschritten. Ab dem Abend des dritten Kringels dürfen wieder X platziert werden. Denn wenn die Ovulation vorbei ist, ist sie vorbei.



Ich wünsche euch ein wunderschönes Wochenende und alles Gute!
Liebe Grüße,
Claudia
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