Re: Re: Im Herzen geboren...

Geschrieben von Andrea am 9. August 2013, 13:26
Als Antwort auf: Re: Im Herzen geboren... geschrieben von Claudia

Liebe Claudia!

Ich hatte es schon fast vergessen! Du bist die Frau mit den vielen Fragen (ich ereinnere mich), allerdings warst du auch immer die Frau mit den vielen Antworten, zumindest, wenn es um den Kinderwunsch ging.

Ich versuche dir einiges zu beantworten, was jedoch nicht einfach ist, denn über meine Zeit in Kenia könnte ich ein Buch schreiben. (was ich auch getan habe, allerdings nur für Timothy, unsere Familie und die engsten Freunde).

Einige Fragen hast du schon gestellt, bevor wir los gereist sind, z.B. Geschwisteradoption oder Kosten. Kannst du dich erinnern?

Die Fragen zur Kultur sind wirklich nicht in zwei Sätzen zu beantworten. WIr haben dort in einer völlig anderen Welt gelebt, es war ein Leben abseits von Hektik und Stress und von Konsum und Übersättigung.
Natürlich sind die hygienischen Bedingungen nicht wie bei uns und wir hatten viele Tiere in unserem Haus zu Gast. Wenn man jedoch einige grundsätzliche Regeln beachtet, kann einem nichts passieren. WIr sind 9 Monate lang nie krank gewesen.

Meine grössten Herausforderungen: die Zeit alleine in einem fremden Land mit mangelnder gesundheitlicher Versorgung, die Verantwortung für Timothy alleine tragen zu müssen, die Angst vor einem Überfall und die fehlenden sozialen Kontakte.
WIr wurden als Weisse grösstenteils sehr freundlich und herzlich empfangen, doch der Unterschied zu den meisten Kenianern ist zu gross, um eine Freundschaft aufzubauen. Wie kannst du einem Menschen begegnen, der kaum genug Geld hat, um seine Familie zu ernähren, während du in einem Haus wohnst, das mit mehr Betten ausgestattet ist als du brauchst. Und du kannst ihm nicht weiterhelfen, denn es nützt nichts, wenn du ihm ein paar Euros in die Hand drückst. Ich kann das komplexe Thema nun nicht ausführlich erörtern, doch das hat mir immer wieder schwer zu schaffen gemacht. Diese Hilflosigkeit diesen Menschen gegenüber und die Frage: Warum habe ich das Glück, in Deutschland geboren zu sein und jeden Tag etwas zu essen zu haben? Das schlimmste Erlebnis, das ich hatte, war eine Fahrt an einem stinkenden und qualmenden Müllberg vorbei, auf dem Menschen Hütten aus Plastik und Karton gebaut hatten und darauf lebten. Ich wollte zwei Kinder aus dem Auto heraus zu mir rufen, um ihnen mein Essen zu geben, doch sie reagierten nicht, als unser Taxifahrer meinte, dass sie Kleber schnüffeln und high sind und mich daher nicht wahr nehmen. An diesem Abend konnte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten.

Wir haben so vieles erlebt - Positives und Negatives - es ist schwierig darüber zu schreiben. Man muss es erlebt haben! Mittendrin zu sein ist völlig anders, als es nur zu lesen.

Du fragst noch, nach was ich mich gesehnt habe? Ehrlich gesagt nach fast gar nichts! Das EInzige, was mir wirklich gefehlt hat, war meine Familie und meine Freunde. An alles andere haben wir uns mit der Zeit gewöhnt und auf manches einfach verzichten müssen, was uns aber sehr gut getan hat. Ich weiss mein Leben nun ungeheuer zu schätzen und ich brauch viel weniger.

So weit meine kurzen EInblicke in das afrikanische Leben!

Liebe Grüsse,
Andrea









> Liebe Andrea!
>
> Danke für deine wunderbaren Zeilen! Und natürlich erinnere ich mich an
> dich!!!
>
> Da braucht man ja eine riesengroße Geduld - nach 8 Jahren Wartezeit noch
> zwei weitere Jahre mit bürokratischem Aufwand, bis ihr euren Schatz in die
> Arme geschlossen habt. Aber deiner Schilderung nach ist nun "Ende gut,
> alles gut!" :-)
>
> Wie lange hättet ihr auf ein deutsches Kind warten müssen? Ist die
> Wartezeit da ähnlich lange, oder ist die so "jenseits", dass es ohnedies
> illusorisch ist?
>
>
> Was ich mir nach dem Lesen überlegt habe: Okay, ihr habt vorher nicht
> gewusst, wie aufwändig das alles ist oder es euch zumindest einfacher
> vorgestellt. Aber wärs nicht einfacher gewesen, gleich zwei Kinder
> zu adoptieren? Dann wärs in einem Aufwaschen gegangen, sowohl die Zeit als
> auch der bürokratische Aufwand und natürlich auch die Kosten (Flug, Haus
> mieten, ...) und natürlich auch die Trennung vom Partner.
> Oder wollt ihr bewusst nur ein Kind?
> (Das ist eine neugierige Frage, kein Vorwurf!)
>
>
> Noch eine neugierige Frage: Was kostet das Leben dort? Immerhin habt ihr ja
> neun Monate parallel zwei Häuser gemietet/bewohnt/bezahlt plus zwei Mal
> Strom, Gas, Wasser, Telefon (zumindest jeweils die Grundgebühr). Das stelle
> ich mir schon recht teuer vor. Oder ist das Joghurt dafür so günstig, dass
> die doppelte Miete durchs preisgünstige Essen aufgewogen wird?
>
>
> Ach, und weil ich grad bei den neugierigen Fragen bin. ;-)
> Wie darf ich mir als Mitteleuropäerin das Land vorstellen? Wo sind
> Unterschiede zu uns (haben die Leute mehr Zeit? weniger Hygiene? Bildung?
> Fortbewegung, öffentliche Verkehrsmittel, Mobilität? Nahrung - was wird
> gegessen, was gibt es an Früchten/Gemüse? Klima? ...), und was ist gleich
> oder ähnlich? Wie wird man als Weiße behandelt? Was waren für dich dort die
> größten Herausforderungen? Wonach hast du dich dort gesehnt (eine Tafel
> Milka, vernünftiges Schwarzbrot, den Winter, ...)? Was vermisst du jetzt in
> Deutschland?
>
>
> > P.S. Claudia, ich glaube, ich habe deine Mailadresse nicht mehr. Wenn du
> > sie mir nochmal sendest, schicke ich dir gerne ein Foto von dem kleinen
> > Schatz!
>
> ner.claudiaXgmail.com (das X durch das Klammeräffchen ersetzen). Darf ich
> das Foto zu den Stillzeit-Fotos dazustellen, damit es die anderen auch
> sehen können?
>
> Liebe Grüße von Claudia mit den hundert Fragen :-)))

Dieses Posting ist im Archiv, daher ist kein Antworten darauf mehr möglich.


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