Informationen zum Zyklusablauf


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Janine

Juli 2006. Geschafft: Zehn Kilo abgenommen. Hurra, endlich!
Wer selbst schon einmal zehn Kilo "abgerüstet" hat, kann nachvollziehen, dass das ein monatelanger Kampf war. Das Endziel war damit noch nicht erreicht - bis dorthin fehlten noch ein paar Kilo. Aber das Meiste war weg. Und vor allem: Nun war Urlaub angesagt. :-)
Mein Ziel für den Urlaub: Das Gewicht einigermaßen halten und hinterher dann den Rest des Schwimmreifens entsorgen.

Der Urlaub selbst war wunderschön, und da das Essen nicht gar so billig war, habe ich es tatsächlich geschafft, hinterher noch mit gutem Gewissen auf die Waage zu steigen und auch keinen Schreck zu bekommen. Ja, das war noch innerhalb der Toleranz. Nun sollte ich mich "nur" noch wieder motivieren und aus der Urlaubsstimmung in die Abnehmstimmung finden ...

Ungefähr zu dieser Zeit wäre die Regel fällig gewesen. Statt wie üblich rot und kräftig einzusetzen, waren es diesmal nur braune Schmierblutungen, und nach drei Tagen waren auch die weg, ohne rot und kräftig geworden zu sein. Zum ersten Mal der Gedanke: Schwanger? Wovon?
Nunja, zugegeben, da war ein X im Urlaub. Das war zu Zyklusbeginn. Aber war das so spät und so knapp an der Schleimphase, dass sich das ausgegangen wäre? Offensichtlich ja, denn das kräftige Rot wollte nicht erscheinen.
Im Urlaub selbst hatte ich das Thermometer nicht mit, weil es durch die Ausnahmen wie "lange aufgeblieben" oder "verschwitzt aufgewacht" zu viele Klammermessungen gegeben hätte und ich mein letztes Quecksilberthermometer auch lieber wohlverwahrt zu Hause wissen wollte. Nach dem Urlaub war ich in der Hochlage. Aber wie lange schon?

Um Klarheit zu bekommen, haben wir einen Schwangerschaftstest gemacht. Die Geschwindigkeit, in der er sich verfärbt hat, wäre ein guter Kandidat fürs Buch der Rekorde gewesen. Schwanger.

Ungewollt. Ungeplant. Überraschend. Es gibt viele Vokabel dafür. Aber keins beschreibt annähernd die Gefühle, die da nun im Kopf Achterbahn fahren. Alles wirbelt herum. Nichts hat Bestand. Alles verändert sich.

Nein, ein Kind war nicht geplant.

Aus dem Nichts muss nun ein Kinderzimmer entstehen, die Raumaufteilung neu überdacht werden, die gesamten nächsten 20 Jahre werden komplett anders ablaufen als gedacht.

Die Ernährung habe ich komplett auf Bio umgestellt: Unterwegs keine Pizzaschnitte mehr, auch wenn man mächtig Hunger hat, sondern warten bis man zu Hause und biologisch essen kann - das war schon hart. Das Mobiltelefon habe ich aus der Bauchtasche verbannt in die Umhängetasche und es auch möglichst abgedreht. Ich habe Mönchspfeffer abgesetzt und mir Folsäure besorgt und genommen. Ich habe auf Bewegung und frische Luft geachtet und auf räumliche Distanz zu allen Rauchenden. Ich war also wirklich in höchstem Maß verantwortungsbewusst, vermutlich weit mehr als andere Frauen.

Hmmm. Und was heißt das nun für mein Gewicht? Nein, ich meine nicht die Schwangerschafts-Kilos, die man ja hinterher wieder herunten hat. Ich meine meinen Schwimmreifen, an dem ich nun doch etliche Monate gearbeitet hatte. Von dem hatte ich ja über lange Zeit hinweg einen hübschen Teil entsorgt. Und ich kenne mich: Ich halte es mit Kishon ("Essen ist meine Lieblingsspeise"), und da ist mir jede - wirklich jede - Ausrede Recht, um bei einer Torte oder Pasta oder vor allem zwischendurch zuzuschlagen. Wenn mir bewusst wird, dass da Jemand, ein Zweiter, in mir ist, dann werde ich für zwei essen. Natürlich sagt einem jeder Arzt, dass man während der Schwangerschaft nicht für zwei essen muss, sondern nur das, was man selbst braucht. Aber wer hört schon auf einen Arzt, wenn man es selbst besser weiß? Da ist jemand Zweiter, und für den muss man mitessen. Ich kenne mich. Ich kenne mich sehr gut und bin mir selbst gegenüber diesbezüglich auch ehrlich. Und grad nach einer Gewichtsabnahme gehts äußerst flott wieder rauf, und genau das konnte ich überhaupt nicht brauchen: Meine Beine müssten dann nicht nur das Schwangerschaftsgewicht tragen, sondern zusätzlich auch noch meine Schwarzwälderkirschtorten, die Bananensplits und die Apfelstrudel. Endlich war mein BMI in einem fast akzeptablen Bereich gewesen (noch nicht ganz dort, wo er hin hätte sollen), und dann belaste ich den Körper neuerlich. Und zwar nicht nur die Beine, sondern auch die Blutwerte und was da eben noch alles dazugehört. Und all das zusätzlich zu der Belastung Schwangerschaft (die ja auch keine alltägliche Situation darstellt).
Nein, das wollte ich dem Körper und auch mir ersparen. Ich habe also nicht an "das Kind" in mir gedacht, sondern an einen Zellhaufen. So ganz logisch war das nicht, denn gleichzeitig habe ich ja wie gesagt meine Welt ernährungsmäßig und auch sonst ziemlich umgekrempelt. Es war also lediglich eine Bezeichnungsänderung, um mich bewusst selbst zu belügen.
Und es hat gewirkt. Ich habe versucht (siehe oben), mich biologisch und ausgeglichen und vitaminreich zu ernähren, aber ich habe mir selbst gegenüber nie die Ausrede "für zwei essen" verwendet und habe mich gewichtsmäßig auch tiptop gehalten.

Abtreibung? An Abtreibung habe ich interessanterweise nie gedacht. Das war für mich nie eine Option. Natürlich weiß ich um die Möglichkeit einer Abtreibung. "Davor", also vor der Schwangerschaft, war das für mich einfach eine Sache von "Gut" und "Böse": Abtreibung ist böse, weil es ein Leben vernichtet.
In dieser Situation selbst, in der nun alles im Kopf schwirrt und nichts mehr so ist wie vorher und alles im Umsturz und alles in Veränderung, da war auf einmal alles anders. In punkto Schwangerschaft war für mich klar: Was ich mir eingebrockt habe, das löffle ich auch aus.
Zugegeben, den letzten Satz hätte ich wirklich positiver formulieren können. Aber es war genau dieser Satz, der auf einmal da war und der mich in dieser Zeit begleitet hat.

Obwohl ich von Wartezimmern nicht begeistert bin und es immer wieder vor mir hergeschoben habe, waren wir bei der vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchung für den Mutter-Kind-Pass.
Die Ärztin hat festgestellt, dass ich zwar schwanger bin, aber dass das Kind für meine Angaben zu klein ist. Im Spital dann die Bestätigung der Diagnose. Das Beta-HCG hat sich in den kommenden Tagen nicht entsprechend erhöht, "das Kind wächst nicht mehr, wir müssen eine Curettage machen". Die zweite Wendung um 180 Grad für mein armes malträtiertes Hirn. Nun hatte ich mich fix und fertig mit den Nerven endlich damit abgefunden gehabt, dass mein künftiges Leben anders verlaufen wird als ich mir das vorgestellt hatte; mein Mann hätte sein Arbeitszimmer zugunsten eines Kinderzimmers aufgegeben; der Dachboden wäre ausgebaut worden. Und nun nochmal eine Drehung um 180 Grad. Irgendwie war das zuviel. Noch dazu war die Curettage nicht sofort, sondern erst für nächste Woche angesetzt. Schlimm war, dass die Ärztin nie das Kind als "tot" bezeichnet hat; auch nicht auf meine explizite Frage. Daher hatte ich das Gefühl, mit der Curettage ein lebendiges Kind umzubringen.
Nach der Operation hat sich mein Kopf dann wieder einigermaßen in die richtige Richtung orientiert. Da ich keinen Kinderwunsch gehabt hatte, war ab dem Zeitpunkt des Aufwachens aus der Narkose dieser zweimalige 180-Grad-Wirbelsturm in meinem Kopf einigermaßen ausgestanden. Nüchtern betrachtet sind zwei Drehungen um 180 Grad ja eigentlich genauso viel wie wenn man sich gar nicht gedreht hätte. Aber ganz so einfach ist es in der Realität dann halt doch nicht.



Was ich in dieser Zeit gelernt habe:

Stress ist kein Verhütungsmittel:
Dieser Urlaub war insgesamt wunderschön, allerdings anstrengend, sowohl körperlich als auch seelisch. Durch ein Missverständnis (wir waren uns über den Treffpunkt uneinig) hatte ich für etliche Stunden meinen Mann verloren, ohne zu wissen, ob er unter einem Auto gelandet war, in einem Spital übernachtet oder was ihm passiert ist. Das Abnehmen zuvor hat meinen Körper sicher ebenfalls gefordert, nicht nur der Urlaub selbst - wir sind keine Strandlieger, sondern Aktivurlauber.
Tja, und es hat sich bestätigt, was man immer wieder liest: Der Zyklusbeginn hat einen Pearl-Index größer null, auch wenn man das nicht wahrhaben möchte.

"Leben von Anfang an":
Mit dem von Abtreibungsgegnern oft zitierten "Leben von Anfang an" wäre man an mich nicht herangekommen. Ich hatte es ja geschafft, wegen des Abnehmens komplett abzublocken. Da war für mich kein Kind.
Und genauso wie ich das - begründet - abblocken habe können, können das sicher andere Frauen auch. "Leben von Anfang an" ist die falsche Strategie, wenn man Frauen von einer Abtreibung abhalten will. Ich weiß nicht, was die richtige Strategie ist. Ich weiß nur - und zwar aus Erfahrung - , dass man das wirklich vollkommen an sich abprallen lassen kann.

Zum Thema Abtreibung:
Für mich waren es "davor" und "während" komplett andere Gedanken, die da im Kopf rotieren. Die hatten überhaupt nichts miteinander zu tun. "Das ist ein Lebewesen" war für mich kein Argument - nicht weil ich es anders bezeichnet habe, nein. Sondern weil ab dem ersten Bruchteil der Sekunde, in der ich begriffen hatte, dass ich schwanger war, klar war, dass ich dazu stehe. Über "gut" oder "böse" nachzudenken, soweit bin ich nicht gekommen. Die Entscheidung war schon gefallen, noch bevor ich zu denken begonnen hatte. Und zwar nicht nach den Wertvorstellungen, die wir eingeimpft bekommen von der Kirche ("Leben") oder der Gesellschaft ("Recht auf eigenen Körper"). Sondern da war ein Satz, dieses Suppe-auslöffeln, den ich "davor" nie in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder einer Abtreibung gebracht hätte. Dieser Satz war da.
Ja, ich bin jemand, der zu seinen Taten steht. Aber ich habe "davor" nie gedacht, dass das für mich ein Argument wäre, eine ungeplante Schwangerschaft aufrecht zu erhalten. Es hat "davor" auch nie jemand versucht, mir das als Argument einzureden. Ich habe es für mich auch nie anders formuliert: Man könnte ja auch "eine Sache ausbaden" sagen oder "eine Situation ausstehen" oder "durchstehen" oder "bewältigen", wenn man es schon durchaus negativ formulieren möchte. Nein, es war genau dieser Satz, den ich zuvor nie mit einer ungewollten Schwangerschaft in Beziehung gebracht habe.
All das, was ich "davor" über Abtreibung gedacht habe, war in genau dieser Situation etwas, das andere sagen. Es war für mich nicht real. In dieser Situation hatte ich eine für mich völlig überraschende und unerwartete Meinung.

Missed Abortion:
Wenn ich noch einmal in dieser Situation bin, setze ich mich den Ärzten gegenüber durch: Ich will keine Curettage. Ich will nicht das Gefühl haben, dass ich ein lebendiges Kind umbringe. Ich will warten, bis der Körper von selbst draufkommt, dass da etwas nicht stimmt und die Schwangerschaft von sich aus beendet. Ich habe mich leider unter Druck setzen lassen: Erstens hat man mir erklärt, dass dieses Von-selbst-draufkommen-und-beenden lassen äußerst schmerzhaft wird, und zweitens war das kurz vor Antritt einer Auslands-Dienstreise. Das wäre wirklich nicht fein gewesen, im Ausland eine schmerzhafte Fehlgeburt zu haben.
Heute würde ich nach Möglichkeit wirklich warten, bis der Körper selbst das Ende setzt. Zumindest wenn man mir nicht explizit versichert, dass das Kind nicht mehr lebt.

Muttergefühle:
Auch wenn es noch so oft behauptet wird: Das Eintreten einer Schwangerschaft bedeutet nicht zwangsläufig, dass man Muttergefühle entwickelt. Den Satz "Du wirst sehen wie schön es ist, wenn es so weit ist" (sprich wenn die Schwangerschaft eingetreten ist) habe ich dutzende Male gehört. Und auch wie liebevollst und beglückt man dann an das neue Leben denkt, das in einem heranwächst.
Ich habe diesen Satz auch während der Schwangerschaft gehört und auch danach. Da ich während der Schwangerschaft immer noch nicht von Muttergefühlen überwältigt war, hat sich der Satz dann bei den Personen, die das mitbekommen haben, verändert zu "wenn das Kind dann da ist" und später auf "wenn das Kind älter ist".
Dieser Satz ist vollkommen deplatziert. Man muntert die Person nicht auf und ermutigt sie nicht zu einer Schwangerschaft, sondern man sollte sich darüber klar sein, dass man versucht, jemandem die eigenen Meinung aufzuzwingen und den Willen des Gegenübers zu brechen. Man spricht dem anderen das Recht ab, seine eigene Meinung zu haben statt dessen Gedanken zu respektieren.
Gerade wenn man merkt, dass das Gegenüber keinen Kinderwunsch hat, ist Einfühlungsvermögen angebracht, vor allem bei einer ungeplanten Schwangerschaft.

Partnerschaft:
Ich weiß nicht, ob und wie man so etwas alleine durchstehen kann. Ich hatte das einmalige Glück, in einer funktionierenden Partnerschaft zu leben. Mein Mann hat mich durch all meine Wirbelstürme durchgetragen, hat mich gehalten und war unglaublich liebevoll. Dafür bin ich ihm unsagbar dankbar.

Ich habe durch diese Zeit sehr viel über mich gelernt, auch über meinen Mann. Ich will nicht behaupten, dass ich diese Zeit nicht gerne misssen würde. Wenn ich noch einmal leben würde und es mir aussuchen könnte, würde ich diese Wirbelstürme in meinem Kopf natürlich an mir vorüberziehen lassen. Keine Frage. Aber ich weiß nun auch, dass mein Mann ein ganz großartiges Exemplar der Gattung "Wirbelsturmbegleiter" ist und sich da ganz toll bewährt hat. Danke!


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